Klinikverbund Südwest (KVSW) treibt Neuausrichtung voran
In einer Aufsichtsratsklausur wurde von Gutachtern ein neues Medizinkonzept 2030 vorgestellt
In einer Klausurtagung hat der Aufsichtsrat des Klinikverbunds Südwest (KVSW) sich gestern darauf verständigt, das Medizinkonzept 2030 wie in einem Fachgutachten der Beratungsfirma Lohfert & Lohfert vorgeschlagen, weiter zu untersuchen. Damit wurde ein Zielbild skizziert, mit dem man in die weiteren Gespräche und Abstimmungen mit zu beteiligenden Stakeholdern und den zuständigen Gremien gehen wird. Das Konzept sieht vor, die medizinische Versorgung in den Landkreisen Böblingen und Calw übergreifend abgestimmt, bedarfsgerecht und auf höchstem Qualitätsniveau weiterzuentwickeln. Darüber hinaus hat sich der Aufsichtsrat auf die von der Geschäftsführung vorgeschlagene Zusammenlegung der Gefäßchirurgien aus Sindelfingen und Leonberg am Standort Leonberg verständigt bzw. auf die verbundweite Etablierung eines Zentrums für Altersmedizin.
„Das Krankenhaussystem in Deutschland befindet sich in einer prekären Lage und muss dringend transformiert werden. Vor dem Hintergrund ist es bedauerlich, dass es nach wie vor keine Klarheit und Planungssicherheit in der längst angekündigten Krankenhausreform gibt. Wir können und wollen nicht länger warten. Deswegen gehen wir jetzt mutig und entschlossen voran und arbeiten auf das Zielbild wie im Fachgutachten vorgeschlagen hin. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Vorschläge noch in diesem Jahr konkretisieren und einen Beschluss zum zukünftigen Medizinkonzept herbeiführen können“, so der Aufsichtsratsvorsitzende des KVSW, der Böblinger Landrat Roland Bernhard.
„Wir verfügen im Klinikverbund bereits heute über eine leistungsfähige und moderne Versorgungsstruktur. Der Gesundheitscampus Calw mit sektorenübergreifender Versorgung vieler ambulanter und stationärer Einrichtungen sowie Primärversorgungszentrum wird ein vielbeachtetes Modell für eine moderne Versorgungsstruktur sein. Damit der Klinikverbund auch künftig auf diesem hohen Niveau weiterbestehen kann, müssen wir uns kontinuierlich weiterentwickeln und dabei die Finanzen immer im Blick haben. Das nun vorliegende Fachgutachten zeigt uns hierfür eine mögliche Richtung auf, über die Umsetzung entscheiden nun die Gremien in Calw und Böblingen“, ergänzt der Calwer Landrat Helmut Riegger.
Das Fachgutachten der Beratungsfirma Lohfert & Lohfert schlägt vor, die medizinische Versorgung in den Landkreisen Böblingen und Calw klinikübergreifend abgestimmt, bedarfsgerecht und auf höchstem Qualitätsniveau weiterzuentwickeln. Die einzelnen Standorte sollen in diesem Zuge klare Positionierungen und Spezialisierungen erhalten, die sinnvoll ineinandergreifen:
Flugfeldklinikum: Erweiterung des Standorts zu einem potenten Maximalversorger, insbesondere durch Ergänzung einer Neurochirurgie, Neuroradiologie und interventionelle Schlaganfallversorgung.
Nagold: Weiterentwicklung des Standorts Nagold zum umfassenden Schwerpunktversorger, inklusive Einrichtung eines Zentrums für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie einer Notfallversorgung
Herrenberg: Etablierung eines integrierten Gesundheitszentrums (Facharztpraxen, Innere Medizin) mit Fokus auf die ambulante Notfallversorgung tagsüber, ein ambulantes Operationszentrum sowie Schwerpunkte in der ambulanten Altersmedizin mit verschiedenen geriatrischen Ambulanzen (z.B. Sturz- und Gedächtnisambulanz) und einer Kurzzeitpflege
Leonberg: Weiterentwicklung als Grund- und Basisversorger mit den künftigen Schwerpunkten Bauch und Altersmedizin sowie Notfallversorgung
Calw: Weiterentwicklung des Standorts als Grund- und Basisversorger mit Notfallversorgung mit den Fachabteilungen Innerer Medizin, Chirurgie, einem orthopädischen und geriatrischen Schwerpunkt (Altersmedizin) sowie einer teilstationären und stationären Schmerzklinik für den Verbund. Des Weiteren wird das sektorübergreifende Campuskonzept weiter ausgebaut und die Integrative Medizin als Komplementärmedizin am Standort Calw verortet.
„Die Bündelung von Spezialkompetenzen wird ein Kernelement der in Deutschland notwendigen Transformation des Krankenhaussystems insgesamt sein. Auch die Überlegungen der erwarteten Krankenhausreform gehen in diese Richtung. Es kann nicht mehr jedes Krankenhaus alle Leistungen anbieten. Das ist weder aus Qualitätsgründen sinnvoll noch aus Kostengesichtspunkten darstellbar – und angesichts zunehmender Personalknappheit ohnehin immer weniger möglich. Als Verbund wollen wir hier Vorreiter sein und haben den großen Vorteil, dass wir mit Unterstützung unserer Träger krankenhausübergreifend die beste Aufstellung für die Patienten und die Mitarbeitenden selbst gestalten können.“, erklärt der Geschäftsführer des KVSW, Alexander Schmidtke.
Eine Maßnahme zur klinikübergreifenden Spezialisierung, auf den sich der Aufsichtsrat in seiner Klausurtagung am 05.07.2023 verständigt hat, ist die Zusammenlegung der Gefäßchirurgien aus Sindelfingen und Leonberg ab Oktober 2023 am Standort Leonberg. Nach Fertigstellung des Flugfeldklinikums wird die Gefäßchirurgie dann wie geplant dort angesiedelt. Durch die vorgezogene Zusammenlegung geht im Flugfeldklinikum bereits von Beginn an eine eingespielte und weiterentwickelte Gefäßchirurgie an den Start.
Die Maßnahme bringt kurzfristige Vorteile für die medizinische Versorgung und den KVSW, sowohl in Leonberg als auch in Sindelfingen: So entsteht in Leonberg, wo schon heute ein zertifiziertes Zentrum für Gefäßchirurgie besteht, eine größere spezialisierte Abteilung. Dies bringt zusätzliche Qualitäts- und Entwicklungsmöglichkeiten zum Wohl der Patienten und auch der Mitarbeitenden. Gleichzeitig entstehen in Sindelfingen freie OP Kapazitäten, die wiederum Entwicklungsmöglichkeiten für andere Abteilungen bieten. Pflegepersonal kann in anderen Abteilungen eingesetzt werden und für Entlastung sorgen. Am Standort Sindelfingen werden auch weiterhin Shunt Operationen für Dialysepatienten durchgeführt. Zudem wird es auch zukünftig eine gefäßchirurgische Grundversorgung geben, die durch die Gefäßchirurgie Leonberg abgedeckt wird. Die Anforderungen in der Notfallversorgung werden selbstverständlich weiterhin im gesamten Einzugsgebiet des Klinikverbunds vollumfänglich erfüllt. „Nicht zuletzt ergeben sich durch die Zusammenlegung wirtschaftliche Vorteile an beiden Standorten, die einen wichtigen Beitrag zur Ergebnisverbesserung leisten, die der Klinikverbund dringend benötigt“, so Schmidtke.
Die Behandlung von älteren Patienten wird das Gesundheitssystem in den nächsten Jahren zunehmend prägen. Vor diesem Hintergrund hat der Aufsichtsrat beschlossen, im KVSW ein konzernweites Geriatriekonzept umzusetzen. Das moderne und standortübergreifende Zentrum für Altersmedizin wird in beiden Landkreisen geriatrische Patienten bedarfsgerecht versorgen. Das Konzept umfasst akutstationäre, rehabilitativ-stationäre und ambulante Angebote. Es wird geriatrische Angebote an allen Standorten des Klinikverbunds geben. Zudem wird ein geriatrisches Case Management aufgebaut werden, um sicherzustellen, dass Patienten bedarfsgerecht und wohnortnah versorgt werden. Das Zentrum soll in seiner Grundstruktur in den kommenden fünf Jahren aufgebaut werden. „Die Zusammenlegung der Gefäßchirurgie und der Aufbau des Zentrums für Altersmedizin passen in den Kontext des vorgeschlagenen Medizinkonzepts und zeigen, dass wir die Neuausrichtung konsequent und sowohl bedarfs- als auch zukunftsorientiert vorantreiben“, so Alexander Schmidtke.
In den vergangenen Jahren hat der KVSW zunehmende Verluste geschrieben. „Qualitativ hochwertige Medizin muss kostendeckend sein. Wir werden unsere Hausaufgaben machen. Gleichzeitig sind wir auf die Unterstützung der Politik angewiesen, weil beispielsweise die enormen Mehrkosten aus den Tariferhöhungen nicht aus dem laufenden Betrieb heraus finanziert werden können“, so der Aufsichtsratsvorsitzende.