Landräte appellieren an Bundesgesundheitsminister
Im Rahmen der bundesweiten Aktion „Alarmstufe Rot“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben sich im Herbst bundesweit Kliniken und deren Träger lautstark zu Wort gemeldet, um auf die prekäre Situation der Krankenhäuser im Land aufmerksam zu machen. In einem gemeinsamen Brief forderten die Landräte Roland Bernhard und Helmut Riegger Anfang Oktober Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nachdrücklich auf, Worten endlich Taten folgen zu lassen und für eine auskömmliche Refinanzierung der in Kliniken anfallenden Kosten zu sorgen. Lauterbach hatte sich jüngst zu Wort gemeldet und die „größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre“ angekündigt.
„Grundsätzlich begrüßen wir die jüngsten Ankündigungen einer Krankenhausreform, stehen doch die Krankenhäuser in Baden-Württemberg nach über zweieinhalb Jahren Pandemie mehr denn je mit dem Rücken zur Wand“, so die beiden Landräte Roland Bernhard und Helmut Riegger. „Die Corona-Pandemie hat zu enormen Mehrbelastungen für die Kliniken geführt. Allein im Klinikverbund Südwest wurden mehr als 7.000 Covid-Patienten behandelt. Und die bisherigen Ausgleichszahlungen decken die Zusatzausgaben bei weitem nicht ab. Hinzu kommen die Auswirkungen aus dem russisch-ukrainischen Krieg, der exorbitante Preisanstiege zur Folge hat.“
Die bundesweiten Zahlen sind alarmierend: 95 Prozent der Krankenhäuser hatten bereits im Sommer höhere Personalausfälle in den patientennahen Bereichen als sonst um diese Zeit üblich. Allein im KVSW herrscht aktuell ein Krankenstand, der zum Teil doppelt so hoch ist wie in Vergleichsjahren. 78 Prozent der Krankenhäuser gehen für 2 den laufenden Herbst und Winter davon aus, aufgrund des Personalmangels wieder vermehrt planbare Operationen und Eingriffe verschieben bzw. absagen zu müssen. Im KVSW ist das bereits der Fall: In der zweiten Oktoberwoche musste man den traurigen Rekord von 136 Corona-Patienten zeitgleich in allen sechs Häusern verzeichnen – der bisherige Höchstwert im Verlauf der gesamten Pandemie. Bundesweit geben zudem 60 Prozent der Krankenhäuser an, dass die Gas- und Stromversorger die Preise bereits erhöht oder Erhöhungen angekündigt haben. Hinzu kommen deutliche Preissteigerungen für den medizinischen Bedarf. 96 Prozent der Krankenhäuser können diese aktuellen Kostensteigerungen nicht aus den regelhaften Erlösen dauerhaft finanzieren. Bis zu 75 Prozent aller Kliniken bundesweit werden 2022 rote Zahlen schreiben, über ein Drittel wird in eine kritische Liquiditätssituation geraten, so die DKG.
Der KVSW macht hiervon keine Ausnahme. Nach wie vor liegt das Niveau für die stationären Patientenbehandlungen fast 10 Prozent unter der Vor-Corona-Zeit, sprich den Kliniken fehlen schlichtweg die Einnahmen. Dadurch wird aufgrund der leistungsmengenabhängigen DRG-Finanzierung das Defizit stetig vergrößert. Im Verbund allein macht das einen Umsatzrückgang von 13 Millionen Euro jährlich aus. Zudem fehlt es an Planungssicherheit mit Blick auf die Preise bei Energie, Lebensmitteln, Medikamenten, Medizinprodukten und Dienstleistungen. Allein durch den Krieg in der Ukraine rechnet man bei den Verantwortlichen des KVSW 2022 mit Ergebnisauswirkungen von weiteren 5 Millionen Euro, für die es bisher keine Kompensationen gibt. Für das Geschäftsjahr 2021 lag das Defizit konzernweit im Verbund bei über 32 Mio Euro, für 2022 ist eine weitere Verschlechterung jetzt schon absehbar.
Man stehe weiterhin hinter der kommunalen Trägerschaft, so betonen die beiden Landräte in ihrem Schreiben. Allerdings stoße man an die eigenen finanziellen Leistungsgrenzen. Dabei sei man auf dem Weg, die Krankenhausstrukturen zukunftsfähig auszurichten. „Bis 2025/26 investieren wir nahezu eine Milliarde Euro in unsere Standorte, stimmen die Leistungsangebote aufeinander ab und entwickeln innovative Campusmodelle zur Stärkung der intersektoralen Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Versorgern.“
Man brauche einen Kurswechsel, um den Kliniken eine auskömmliche Leistungsfinanzierung zu sichern. Dazu fordern die beiden Landräte: Einen sofortigen Inflationsausgleich in Form eines Rechnungsaufschlags von 4 Prozentpunkten und perspektivisch einen Ausgleich der tatsächlichen Mehrkosten, das Wiederanlaufen der Coronahilfen und die Entbürokratisierung der Kliniken sowie eine vollständige Refinanzierung der anstehenden Tarifkostensteigerungen.
„Lassen Sie kommunale Krankenhäuser wie den Klinikverbund Südwest nicht absaufen“, so der eindringliche Schluss-Appell. Es gehe um nicht weniger als um die Versorgung der Menschen vor Ort.